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Underconsumption Core: Der neueste Anti-Konsum Trend

Habt ihr schon einmal eine Zahnpastatube bis zum Ende aufgebraucht, eine geliebte Jeans getragen bis der Stoff gerissen ist, oder einen Schrank voller nicht-zusammenpassender Tassen und Becher? Dann Herzlichen Glückwunsch, denn damit liegt ihr gerade total im allerneuesten TikTok-Trend: Underconsumption Core.

Was ist Underconsumption Core?

Der Begriff beschreibt ein Konsumverhalten, bei dem man nur das kauft, was man wirklich braucht und das verwendet, was man schon besitzt. Dinge, die kaputt gehen, werden repariert oder für etwas anderes wiederverwertet. Oder anders gesagt: Normales Verhalten ist in!

Unter dem Thema lassen sich auf TikTok nun tausende von Videos finden, in denen – inbesondere jüngere – Leute die wenigen Dinge, die sie im Alltag verwenden, schön in Szene setzen. Normaler Konsum und der eigene Besitz werden romantisiert und ästhetisch dargestellt. Doch woher kommt dieser „Unterkonsumieren“-Trend?

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Warum ist Anti-Konsum jetzt trendy?

Schaut man sich die Konsumlandschaft der letzten Jahre an, fällt auf, dass besonders seit der Corona-Pandemie der Online-Handel stark zugenommen hat. Influencer auf Plattformen wie TikTok haben diesen Umstand genutzt, um uns ihre Kaufempfehlungen für verschiedene Produkte auszusprechen. Mit ästhetischen Inhalten wie „Restocking-Videos“ oder „Fashion-Hauls“ und anderen Lifestyle-Inhalten wurde mal mehr und mal weniger offensichtlich für Produkte geworben, die das Leben (augenscheinlich) schöner und leichter machen. Micro-Trends mit verschiedenen „Aesthetics“ haben zusätzlich für den Überkonsum von Mode gesorgt.

Dass Content-Creator mit solchen Inhalten und den Verkauf der beworbenen Produkte Provision verdienen, befeuerte die Erstellung solcher Videos natürlich. Die Ausmaße an Konsum, die in den sozialen Medien vorgelebt werden, wurden dadurch immer absurder.

Doch mittlerweile beginnt die Stimmung der Zuschauer zu kippen. Anstatt den übermäßigen Konsum zu feiern, wird der gezeigte Lifestyle als finanziell unerreichbar und unnachhaltig wahrgenommen.

Hier setzt Underconsumption Core an. Die Frage, die der Trend stellt lautet: Wie viele Dinge braucht man wirklich zum Leben?

Der Stanley Cup: Anfang vom Ende?

Habt ihr vor einigen Monat den Hype um den Stanley Cup mitbekommen? Dieser Mehrweg-Thermosbecher wurde vor etwa einem halben Jahr auf einmal zum Statussymbol. Menschen präsentieren online ihre Stanley-Cup Kollektionen: Für jedes Outfit hat man den Becher in der passenden Farbe, und dazu gibt es Accessoires wie Aufsätze für Snacks oder dekorative Anhänger. Doch wenn man bedenkt, dass ein Stanley Cup mindestens 50 Euro pro Stück kostet und es Leute gibt, die Schränke voll mit diesen Bechern haben – ich wiederhole nochmal, das ist ein Thermosbecher – dann wird schnell klar, warum viele Menschen das online dargestellte Konsumverhalten kritisch hinterfragen.

Der Stanley Cup war aber nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Jahrelang wurden genauso absurde Privat-Sammlungen an Kleidung, Schuhen, Make-Up und Hautpflege in den sozialen Medien gezeigt. Dieser Überkonsum ist so omnipräsent, dass er zu einer neuen Normalität geworden ist. Doch mehr ist nicht mehr “mehr” – es ist zu viel.

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Dauerwerbesendung auf Social Media

Und eins ist den Zuschauern mittlerweile wirklich zu viel geworden: Die Werbung. Es scheint, als würde man immer und überall mit Werbung konfrontiert. Und jede Plattform, die sich soziales Medium schimpft, ist in Wahrheit zu einem Kanal geworden, auf dem Leute mit Werbung und Sonderangeboten zugeschüttet werden.

Die Frustration darüber ist nachvollziehbar wenn man bedenkt, dass soziale Medien ja eigentlich ein Weg sein sollten, um in Verbindung mit Bekannten und Familie zu bleiben. Stattdessen wird mittlerweile alles, was online geteilt wird, kommerzialisiert und als “Aesthetic” verkauft. Womit wir schon beim nächsten Punkt wären:

„That Girl“ und andere Selbstoptimierer

Videos von Menschen, die um 5 Uhr zum Pilates gehen, zum Frühstück einen Green Smoothie trinken und Journaling machen, am Arbeitsplatz mit hübschen Notizbüchern und pastellfarbenen Markern arbeiten und generell ein durchoptimiertes, ästhetisch ansprechendes Leben führen… sind super schön anzusehen. Und hinterlassen beim Betrachter ein Gefühl der Minderwertigkeit.

Wie kann man dieses Gefühl nur loswerden…. vielleicht, indem man die ganzen hübschen Produkte einfach nachkauft, die man im Video sieht? Auch hier ist es mittlerweile so, dass der online dargestellte Lifestyle zwar erstrebenswert und visuell ansprechend wirkt, dass sich Menschen damit aber einfach nicht mehr identifizieren können oder wollen.

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Das wirtschaftliche und ökologische Klima

Zwei Faktoren, die den Trend ebenfalls beeinflussen, sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten und der Klimawandel. Beides zwingt uns, bewusster mit unseren Ressourcen umzugehen, seien sie finanzieller oder ökologischer Natur. Das wirtschaftliche Klima macht es notwendig, Prioritäten bei den eigenen Ausgaben zu setzen, und die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens auf die Umwelt sind nicht mehr zu ignorieren. Die Ressourcen unseres Planeten sind endlich, das Wetter verändert sich durch den Emissionsausstoß immer weiter. Beide Faktoren bauen einen starken Druck auf, den die meisten Menschen nicht mehr ignorieren können, weshalb der bisherige Überkonsum nicht mehr als Statussymbol, sondern als verantwortungslos wahrgenommen wird.

Ist Underconsumption Core gekommen, um zu bleiben?

Wenn ich ehrlich sein darf, muss ich den Underconsumption-Trend ein wenig belächeln. Denn am Ende des Tages ist der Trend nur einer von vielen, die ich in der Vergangenheit so in der Art schon gesehen habe, wie zum Beispiel Zero Waste oder Minimalismus. Und bisher wurden diese Trends häufig wieder von Marken oder Influencern übernommen, um doch noch irgendwie Produkte zu verkaufen. So war dies zuletzt zu beobachten beim Deinfluencing-Trend. Der diente eigentlich dazu, Leute vom Kauf unnötiger Dinge abzuhalten, wurde dann aber doch zu einem “Kaufe nicht dies, kauf lieber das”-Trend.

Und es zeigt sich schon jetzt, dass erste kritische Stimmen laut werden, die den Underconsumption-Trend als unaufrichtig betrachten – vor allem, wenn klar wird, dass jemand nur auf den Trend-Zug aufspringt und in seinem früheren Content genau das gegenteilige Verhalten gezeigt hat. Zudem steht der Trend in der Kritik dafür, dass er Armut glorifiziert, oder sogar verniedlicht.

@itshardouthereman my culture of underconsumption is not your costume! #underconsumption #fyp coffee morning vibes #viral #underconsumptioncore ♬ original sound – speedz!

Nachhaltigkeit ist kein Trend

Trends pendeln immer von einem Extrem ins andere. Wir kommen gerade aus einer Phase extremen Konsums, deswegen gibt es jetzt die Gegenbewegung dazu. Und das wird auch zukünftig immer so weitergehen, und es wird in Zukunft immer wieder auch Trends geben, die die Dekadenz feiern werden.

Wer Nachhaltigkeit und achtsamen Konsum gut findet, der hat auch einen entsprechenden Lebenswandel. Insofern ist auch Underconsumption-Core für mich gar kein richtiger Trend. Sondern es ist eine Art, zu leben, für die man sich entscheidet. Wünschenswert wäre es allemal, dass wenigstens ein paar Leute, die den Trend momentan mitmachen, sich auch langfristig mit dem Thema auseinandersetzen und vielleicht wirklich zu einem nachhaltigeren Lebensstil finden.


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